Fassaden-Ästhetik

Fassaden-Ästhetik

Kaum jemand kann sich ihrem Charme entziehen: Gründerzeithäuser. Sie prägen das Stadtbild der alten Donaumonarchie – besonders eindrucksvoll in Wien. Doch warum legte man gerade in dieser Epoche so großen Wert auf Verzierungen und dekorative Elemente?

Wie so oft ging es vor allem um Prestige. Was heute die akkurat geschnittene Thujenhecke im Einfamilienhaus ist, waren damals die kunstvoll gestalteten Fensterrahmen, die aufwendigen Eingangstore, die kleinen Balkone und Türmchen – kurz: die detailreiche Fassade der Bürgerhäuser, die unbedingt auffallen sollte. Und natürlich schöner sein musste als jene der Nachbarn.

Diese Entwicklung setzte allerdings erst gegen Ende der Gründerzeit ein. Zwischen 1840 und 1870 war das äußere Erscheinungsbild von Zweckmäßigkeit geprägt – anders als heute lagen die repräsentativen Räume meist in den unteren Geschossen, während in den oberen Stockwerken oft die Hausangestellten wohnten.

Ab den 1870er-Jahren gewann die dekorative Gestaltung zunehmend an Bedeutung, insbesondere der Beletage wurde nun mehr Aufmerksamkeit geschenkt.

Zwischen 1890 und 1918 – in der späten Gründerzeit – erlebte die Fassadengestaltung eine neue Blütezeit mit verstärktem Einsatz ornamentaler Elemente. Ein prägendes Merkmal dieser Epoche war die steigende Geschosszahl – manche Gebäude erhielten bis zu sieben Etagen. Auffällig war zudem die architektonische Betonung von Erdgeschoss und Mezzanin, die häufig durch zwei repräsentative Hauptgeschosse, sogenannte Beletagen, ergänzt wurden.

Wie bereits in der Hochgründerzeit legte man großen Wert auf die Betonung von Mittel- und Seitenachsen. Mehrgeschossige Erker dienten als beliebtes Stilmittel. Im Gegensatz zur Frühgründerzeit verliehen diese strukturellen Akzente den Fassaden eine plastischere, lebendigere Wirkung.

Die gestalterischen Grundlagen dieser Fassaden lassen sich auf einige zentrale Elemente zurückführen:

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  • Architektur

Gesimse und Gliederung
Ein zentrales Stilelement waren die Gesimse – waagerecht verlaufende, kunstvoll profilierte Bänder, die der Fassade Struktur und Tiefe verliehen. Sie gliederten das Gebäude in klare Zonen und rahmten es harmonisch ein.

 

Fenster als Bühne
Fenster dienten nicht nur der Belichtung, sondern wurden regelrecht in Szene gesetzt. Aufwendig verzierte Rahmen, häufig mit Stuckdetails ergänzt, machten jedes einzelne Fenster zum architektonischen Blickfang. Fensterläden mit feinen Ornamenten rundeten das Bild ab.

 

Stuck in seiner schönsten Form
Stuckelemente zählten zu den auffälligsten Zierelementen – sowohl außen als auch im Innenraum. Aus Gips gefertigt, reichten sie von floralen Mustern über Girlanden bis hin zu mythologischen Figuren. Jedes Detail zeugte vom handwerklichen Können und dem Hang zur Opulenz.

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  • Nicolai1873
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  • Design

Balkone und Balustraden
Balkone waren nicht nur funktional, sondern auch ästhetisch bedeutend. Häufig mit kunstvoll geschmiedeten Balustraden versehen, strukturierten sie die Fassaden und boten reizvolle Kontraste. Auch auf Dachgesimsen und Treppen kamen dekorative Balustraden zum Einsatz.

 

Ornamentik als visuelles Statement
Die Ornamentik verlieh der Fassade ihre charakteristische Verspieltheit: feine Verzierungen an Laibungen, florale Motive in Gesimsen oder Reliefs an Portalen – jedes Detail diente dem Ausdruck von Stil und Anspruch.

 

Mehr als Fassade
Gründerzeitfassaden waren mehr als bloße Hüllen – sie waren steinerne Bekenntnisse zu Fortschritt, bürgerlichem Selbstbewusstsein und ästhetischem Anspruch. Bis heute erzählen sie Geschichten von Aufbruch, Urbanität und einer Zeit, in der Architektur noch sichtbares Statement war.

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