Markttag

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Rendezvous mit dem echten Wien: der Rochusmarkt

Es ist Samstagmorgen, kurz nach neun, perfekter Zeitpunkt für einen Bummel auf den Rochusmarkt. Die Luft riecht nach Kaffee und knusprigem Gebäck, ein zarter Hauch von Frühlingsblumen liegt darüber, als hätte jemand das Grätzl mit Lavendel bestäubt. Unser erster Weg führt uns nicht zielstrebig zu einem Stand, sondern ins Treiben hinein. Denn der Rochusmarkt funktioniert nicht nach der Logik von Einkaufslisten. Er verführt. Und wir lassen uns gern verführen.

 

Ein älterer Herr, Kappe schief auf dem Kopf, reicht uns mit einem Zwinkern eine Scheibe Bergkäse zum Kosten. „Von meiner Schwester, aus dem Waldviertel. Nur Kühe mit Namen.“ Der Käse ist würzig, schmilzt auf der Zunge und hat diese ehrliche Note, die Supermarktware nie zusammenbringt. Wir kosten natürlich und während wir bezahlen, erzählt er von einem Wirtshaus, das den Käse in Käsespätzle einbaut, die angeblich Beziehungen retten können. Glauben wir gerne!

 

Ein paar Schritte weiter steht eine Frau mit einem roten Kopftuch hinter ihrer Auslage aus eingelegtem Gemüse, Oliven, selbstgemachten Aufstrichen. Ihre Stimme ist leise, aber bestimmt – wie die ihrer Produkte. Der grüne Erbsen-Minze-Aufstrich sticht besonders ins Gourmet-Auge. Sie lächelt, fast verschwörerisch, und sagt: „Geheimrezept. Aber gut auf geröstetem Brot mit Zitronenzesten.“ Ein Gläschen ist gekauft, eine wahre Offenbarung am Sonntagfrüh damit gesichert.

Und dann das Brot. Ein junger Bäcker, bärtig, tätowiert, mit dem Ernst eines Komponisten beim Stimmen des Orchesters, empfiehlt sein frisch gebackenes Sauerteigbrot. Außen rustikal, innen fast poetisch „Nur Mehl, Wasser, Salz. Und Zeit.“, betont er. Der Rochusmarkt bezaubert eben, weil er daran erinnert, wie gut Einfachheit sein kann, wenn sie ernst gemeint ist.

 

Ein Espresso beim kleinen Standl nahe der Rochuskirche rundet alles ab. Brotduft in der Nase, das Glockenspiel der Kirche im Ohr. Menschen kommen und gehen, winken sich zu, grüßen die Standler beim Vornamen. Es ist dieses Wien, das wahrlich liebenswert ist – das leise, warme, das sich nicht anbiedert, sondern einlädt.

 

Vom Rochusmarkt geht man nicht einfach weg, man nimmt Geschichten mit, Gesichter, kleine Begegnungen. Und das Gefühl, Teil eines gelebten Stücks Stadt zu sein. Der Rochusmarkt verkauft keine Lebensmittel. Er verkauft Geschmack. Und Seele.

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