Josefstadt

Josefstadt

Auf einen Spaziergang durch den 8. Wiener Gemeindebezirk

Dieser Sufzer entkommt mir immer wieder, wenn ich an meinen Lieblingsbezirk in Wien denke. Die Frage „Welcher wäre das?“ wird natürlich von allen Wiener:innen höchst subjektiv beantwortet. Aber: Nirgendwo sonst atmet man die Wiener Essenz so intensiv wie in den kleinen Grätzeln zwischen Gürtel und Zweierlinie.

 

Genau dort beginne ich auch meinen Abend, mit einem gemütlichen Spätnachmittagskaffee im Eiles, das jüngst von einem engagierten Team übernommen wurde, das in der besten Wiener Kaffeehaustradition weitergeführt wird. Schön, wenn jemand das gute Alte in modernes Neues mit viel Fingerspitzengefühl verwandelt.

 

Ich lese die  - wie immer – überkandidelte (hochdeutsch: geschwollene) Kritik über das für mich anstehende Stück im Theater in der Josefstadt. Ja, ich gehe alleine ins Theater, bin weder Alpenkönig, noch Menschenfeind, aber so kann ich mich auf das, was sich auf den Brettern der Bühne abspielt, ablenkungslos konzentrieren.

 

Das Stück war ein Feuerwerk – klug, pointiert, wienerisch. Noch immer hallen Dialoge nach, während ich das Theater verlasse, als wäre der Vorhang nicht nur auf der Bühne gefallen, sondern nun auch über den hektischen Teil des Tages. Mein Weg führt mich Richtung Gürtel, hinein in jene stille Eleganz, die dieser Bezirk mit einer Selbstverständlichkeit trägt, als wäre sie ihm in die steinernen Fassaden geschrieben worden.

 

Der Weg führt mich durch den Schönbornpark, eine grüne Oase, verborgen wie ein Geheimnis für Eingeweihte. Kinderlachen, das sanfte Plätschern des Brunnens, die alten Bäume, die über Generationen hinweg Geschichten gesammelt haben – hier atmet man durch.

 

Durch die engen, Geschichte versprechenden Gassen geht es weiter. Ich lasse meinen Blick über die Fassaden schweifen – stuckverziert, großzügig, würdevoll. Jedes Haus erzählt von einer anderen Epoche, von Architekten mit Vision und Bauherren mit Anspruch. Die Josefstadt ist ein Ort der leisen Pracht, der kultivierten Zurückhaltung. Barock trifft auf Gründerzeit, Jugendstil flirtet mit der Moderne – ein Genuss für Auge und Seele.

In der verkehrsberuhigten Zone der Lange Gasse öffnet sich ein Ensemble an kleinen Lokalen, Vinotheken und charmanten Gastgärten. Ich lasse mich nieder, bestelle ein Achtel Grünen Veltliner – kühl, trocken, mit einem Hauch von Zitrus – und beobachte die Menschen. Ein älteres Paar beim leisen Gespräch, junge Menschen mit Skizzenbüchern, hie und da ein herzhaftes Lachen – ich spüre, wie die Menschen um mich es mir gleichtun und das Leben genießen.

 

Der Weg nach Hause ist kurz – und dennoch reich. Ich gehe die Skodagasse hinauf, wo mein Zuhause wartet: eine großzügige Altbauwohnung mit Flügeltüren, Fischgrätparkett und Fenstern, durch die der Abendwind Geschichten trägt. Hier endet der Spaziergang, aber nicht der Zauber des Abends. Ich öffne die Fenster und lausche den Stimmen der Stadt.

 

Die Josefstadt ist nicht nur ein Bezirk. Sie ist ein Gefühl. Ein Ort, an dem das Leben ein wenig schöner, ein wenig feiner, ein wenig echter scheint. Wer hier wohnt, wohnt nicht einfach – er lebt in einem Gedicht.

Und vielleicht, ja vielleicht, ist es Zeit, sich ein eigenes Kapitel in dieser Geschichte zu sichern.

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